Subventionsbetrug: Corona Soforthilfe, Strafverfahren laufen
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise belasten Mini-Firmen wie Friseursalons, Modeboutiquen oder Cafés massiv. Bund und Länder haben viele Milliarden Euro bereitgestellt, um ihnen unter die Arme zu greifen. Ab sofort können Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen nun auch Bundes-Soforthilfen in einigen Bundesländern beantragen. Wer hier jedoch - auch unabsichtlich! - falsche Angaben macht, der riskiert wegen Subventionsbetrug verurteilt zu werden
Besonders viele Kleinunternehmen bekommen die wirtschaftlichen Folgen des Corona Shutdowns in Deutschland wegen der Corona-Pandemie zu spüren. Viele müssen aufgrund der nicht vorhandenen finanziellen Rücklagen schließen. In der Coronakrise geht es für sie um die Existenz. Doch wer falsche Angaben macht (nicht nur bei der Corona Soforthilfe, sondern auch allen aktuellen Förderungen (BAFA, KfW, andere Programme), kann wegen Subentionsbetrug (Lesen Sie dazu auch: Subventionsbetrug von KfW Beratern) verurteilt werden.
+++Update 23.06.2021: Ca. 2.000 Fälle allein in Berlin, ZDF berichtet+++
Das Gründerlexikon berichtete über diesen Artikel bereits im April 2020 und warnte alle BEtroffenen, auch durch die Erlebnisses des hier im Artikel erwähnten Steuerberater Böttcher, der wegen Subventionsbetrug bereits in U-Haft saß. Nun steht die Realität vor der Tür, wie ZDF in folgendem Video berichtet:
+++Update 30.10.2020: Betroffene können sich beim VGSD melden+++
Nachdem nun die 3. Corona-Hilfe auf den Weg gebracht wurde und unzählige Unternehmen die Corona-Soforthilfe betragt haben, werde immer mehr Fälle (unter anderem auch beim VGSD) bekannt, nachdem Unternehmer von der Polizei vorgeladen werden, Büro- und Hausdurchsuchungen stattfinden, Konten gesperrt und eingefroren werden, weil anonyme Hinweise eingegangen sind. Selbst Hausbanken, Sparkassen und auch der Zoll gaben im Rahmen diverser Gesetze, wie z.B. das Geldwäschegesetz. anonyme Hinweise auf eventuelle Subventionsbetrügereien. Betroffene können sich bei Dr. Andreas Lutz, 1. Vorsitzende des Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) e.V. melden, wie Dr. Lutz hier berichetet. Lesen Sie hier mehr zum Thema Corona Soforthilfe zurückzahlen!
Interview mit Steuerberater Ralph Böttcher zum Subventionsbetrug
Das Gründerlexion sprach mit Steuerberater Ralph Böttcher, der unschuldig wegen Subventionsbetrug ins Gefängnis kam.
Gründerlexikon (GL): Herr Böttcher, wie wird man aktuell im Netz auf Sie aufmerksam?
Böttcher: In der letzten Woche bin ich angesprochen worden, ob ich bereit wäre für ein Interview von „Sylt1 - Das Sylter Fernsehen“ zu geben. Das Interview ist hier zu sehen.
Innerhalb eines Tages haben hat es eine Reaktion gegeben, die so in dem Maße auch auf Sylt1 - Das Sylter Fernsehen nicht absehbar war : Mehr als 17.500 Aufrufe innerhalb von 24 Stunden.
(Zum Hintergrund für den Leser: SYLT1-Chefredakteur Axel Link erörtert im Gespräch mit Steuerberater Ralph Böttcher das sogenannte "Corona-Soforthilfeprogramm des Landes Schleswig-Holstein" in einer Sonderausgabe des Standpunktes.)
Strafrechtliche Konsequenzen durch die Inanspruchnahme der Förderungen zur Soforthilfe
GL: Nun haben Bund und Länder schnelle sowie unbürokratische Hilfe eingeführt. Was ist daran so verkehrt?
Böttcher: Zum Sachverhalt durch die COVID-19 Herausforderung ist es so: Viele kleinere Unternehmen haben einfach kein Geld mehr, um ihre Mitarbeiter zu bezahlen. Einige müssen sogar darum kämpfen, eine Insolvenz abzuwehren.
Im Rahmen dieser Sachverhalte sind umgehend Fördermaßnahmen in einem bisher noch nie da gewesen Stil beschossen worden. Was man aber im Rahmen dieser gutgemeinten Fördermaßnahmen vergessen hat, dass es Grenzen der Betrachtung oder Regelungen gibt, die in diesem Fall hätten Beachtung finden müssen.
GL: Also, Sie sehen die Hilfen schon als "gutgemeint" an. Aber was ist genau vergessen worden?
Böttcher: Unternehmer werden durch die Politik im großen Stil in die strafrechtliche Verantwortung geschickt und werden dann alleine gelassen.
GL: Das müssen Sie uns erklären! Wie kommt der Unternehmer denn in eine strafrechtliche Verantwortung?
Böttcher: Schon allein deshalb, weil Sie diese Hilfen entsprechend beantragt haben und zum Teil auch schon überwiesen bekommen haben: Damit ist eine strafrechtliche Verantwortung gegebenenfalls durch nicht richtige Antragstellung gegeben. Und diese ist auch rückwirkend nicht strafrechtlich heilbar.
GL: Können Sie uns da ein Beispiel nennen?
Böttcher: Ja, und zwar am Beispiel Schleswig-Holstein mit Geltung in allen Bundesländern sei auf folgende Sachverhalte hingewiesen (mit in leichten Abwandlungen gleichen Ergebnissen) :
Corona-Soforthilfe-Programm | hier Beispiel Schleswig-Holstein | Stand 30.03.2020
https://www.ib-sh.de/produkt/corona-soforthilfe-programm/
1. Punkt 1.1
Unternehmen, die sich vor dem 31.12.2019 in Schwierigkeiten gemäß Rz. 20 a) bis c) der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (204/C 249/01) befunden haben.
Diese sind von der Förderung ausgenommen.
2. Punkt 5
Und die vorhandenen liquiden Mittel reichen nicht aus, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten aus ….
3. Punkt 7 sowie 7.4.
Vorsätzlich falsche oder unvollständige Angaben
Angaben nach 1.1/1.2./1.3./3/4/5/6.1/6.2/7.3/7.7/7.8/7.9 sind subventionserhebliche Tatsachen.
Gerade dieser Punkt könnte einigen das sprichwörtliche Genick brechen, dazu weiter unten mehr.
Mit der Unterzeichnung dieses Antragsformulare bestätige ich als Unternehmer die Einhaltung dieser Sachverhalte. Mit dem Rat die Mittel in Anspruch zu nehmen sitzt der Steuerberater mit in dem Boot des Antragstellers.
GL: Was raten Sie Steuerberatern und Unternehmern, die diesen Zuschuss beantragen?
Böttcher: Ich persönlich rate von einer Bestätigung dieser Sachverhalte für die Mandanten aus folgenden Gründen ab und rate auch den Mandanten das nur bei entsprechender strafrechtlicher Absicherung überhaupt zu tun.
GL: Sie hatten vorhin erwähnt, dass besonders ein Punkt einem das sprichwörtliche Genick brechen könnte. Könnten Sie bitte noch einmal näher darauf eingehen?
Böttcher: Gern. Zuvor möchte ich aber noch sagen: Ich bin kein Rechtsanwalt, ich bin nur Steuerberater und berichte nur von meinen Erlebnissen und Eindrücken aus meinem Verfahren und bin nicht befugt Rechtsberatung zu erteilen noch könnte ich das.
In meinem Verfahren ist Punkt 3 der obigen Liste der wichtigste Sachverhalt gewesen und wir haben diesen Sachverhalt nach Ablauf von 13 Jahren in der Hauptverhandlung thematisiert:
3. Punkt 7
a.7.4.
Vorsätzlich falsche oder unvollständige Angaben
Angaben nach 1.1/1.2./1.3./3/4/5/6.1/6.2/7.3/7.7/7.8/7.9 sind subventionserhebliche Tatsachen
Folgende Dinge durfte ich erfahren: Die Rechtslage ist eindeutig.
Gemäß § 6 SubvG haben Gerichte und Behörden von Bund, Ländern und kommunalen Trägern der öffentlichen Verwaltung Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht eines Subventionsbetruges begründen, den Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen.
Die zur Mitteilung verpflichtete Stelle macht sich im Falle des Unterlassens der Mitteilung wegen Strafvereitelung (S 258 StGB) oder Begünstigung (§ 257 StGB) strafbar.
Bei der Bearbeitung der bekannt gewordenen Fälle taucht mitunter die Schwierigkeit auf, daß im Förderungsgesetz das Förderungswürdige und Förderungsfähige nicht mit der gebotenen Klarheit vorgezeichnet ist. Was der Subventionsgesetzgeber versäumt hat, kann im Strafverfahren nicht nachgeholt werden.
GL: In diesem Zusammenhang fällt mitunter der Begriff "bedingter Betrugsvorsatz" oder auch "Eventalvorsatz". Können Sie uns dazu bitte noch etwas sagen?
Böttcher: Ja, sehr gern. Ein Eventualvorsatz setzt voraus, dass der Täter die Erfüllung des Tatbestandes nicht erstrebt oder als sicher voraussieht, sondern (nur) für möglich hält und dies billigt.
Für den subjektiven Tatbestand des Betruges bedeutet dies, dass der Täter es für möglich hält und billigt, durch Täuschung einen Irrtum hervorzurufen und durch die Irrtumserregung eine Vermögensverfügung des Getäuschten zu veranlassen, die zu einem Vermögensschaden führt. Siehe Vermögensschadenhaftpflichtversicherung!
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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 8. Dezember 2015 – 3 StR 430/15
Bedingter Betrugsvorsatz
Ein Eventualvorsatz setzt voraus, dass der Täter die Erfüllung des Tatbestandes nicht erstrebt oder als sicher voraussieht, sondern (nur) für möglich hält und dies billigt.…
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GL: Ich mache mich jetzt also strafbar, wenn ich das „aus Versehen“ falsch ausfülle? Was heißt denn das jetzt für die Praxis?
Böttcher: Bitte beachten "aus Versehen" heißt eventuell und das ist gerade der oben beschriebene "Eventualvorsatz" in der umgangsprachlichen Wahrnehmung einer Person. Das kann dann eben zum Subventionsbetrug oder zum Verdacht eines Betrugsfalls führen.
GL: Das ist allerhand! Insbesondere da die meisten Selbstständigen mit Sicherheit nicht alle rechtlichen Aspekte und Annahmen hier berücksichtigen können.
Böttcher: Ganz genau! Ich möchte Sie daher auf folgende Punkte noch mehr sensibilisieren:
1. Punkt 1.1
Unternehmen, die sich vor dem 31.12.2019 in Schwierigkeiten gemäß Rz. 20 a) bis c) der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (204/C 249/01) befunden haben.
Was bedeutet "Unternehmen in Schwierigkeiten"?
Definition "Unternehmen in Schwierigkeiten"
Das im EU-Beihilferecht grundsätzlich geltende Verbot der Beihilfengewährung an Unternehmen in Schwierigkeiten muss im Rahmen der ILB-Förderpraxis Beachtung finden. Es gilt der Grundsatz, dass Unternehmen in Schwierigkeiten wegen des EU-Beihilferechts keine staatlichen Beihilfen erhalten dürfen.
Die EU-Kommission geht davon aus, dass es sich um ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien handelt, wenn es auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeiten gezwungen sein wird, wenn der Staat nicht eingreift.
Das ist dann der Fall, wenn mindestens eine der folgenden Bedingungen, die insbesondere auch ausdrücklich in der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) benannt sind, gegeben ist:
a) bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung: Mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals ist infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen. Dies ist der Fall, wenn sich nach Abzug der aufgelaufenen Verluste von den Rücklagen (und allen sonstigen Elementen, die im Allgemeinen den Eigenmitteln des Unternehmens zugerechnet werden) ein negativer kumulativer Betrag ergibt, der mehr als der Hälfte des gezeichneten Stammkapitals entspricht.
b) bei Gesellschaften, in denen zumindest einige Gesellschafter unbeschränkt für die Schulden der Gesellschaft haften: Mehr als die Hälfte der in den Geschäftsbüchern ausgewiesenen Eigenmittel ist infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen.
c) Das Unternehmen ist Gegenstand eines Insolvenzverfahrens oder erfüllt die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Antrag seiner Gläubiger. Sofern diese Bedingung bei einem KMU in den ersten drei Jahren nach seiner Gründung nicht gegeben ist, gilt das KMU nicht als Unternehmen in Schwierigkeiten.
d) Das Unternehmen hat eine Rettungsbeihilfe erhalten und der Kredit wurde noch nicht zurückgezahlt oder die Garantie ist noch nicht erloschen, beziehungsweise das Unternehmen hat eine Umstrukturierungsbeihilfe erhalten und unterliegt immer noch einem Umstrukturierungsplan
e) Bei einem Unternehmen, das kein KMU ist, lag in den vergangenen beiden Jahren
- Der buchwertbasierte Verschuldungsgrad über 7,5 und
- Das Verhältnis des EBITDA zu den Zinsaufwendungen unter 1,0.
Ein KMU wird in den ersten drei Jahren nach seiner Gründung nur dann als Unternehmen in Schwierigkeiten betrachtet, wenn es die vorstehende Bedingung unter Buchstabe c) erfüllt.
Und zu guter Letzt:
Punkt 5
Und die vorhandenen liquiden Mittel reichen nicht aus, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten aus ….
Bei der Bearbeitung der bekannt gewordenen Fälle taucht mitunter die Schwierigkeit auf, dass im Förderungsgesetz das Förderungswürdige und Förderungsfähige nicht mit der gebotenen Klarheit vorgezeichnet ist. Was der Subventionsgesetzgeber versäumt hat, kann im Strafverfahren nicht nachgeholt werden.
Bedingter Betrugsvorsatz | Dolus Eventualis | Eventalvorsatz
Ein Eventualvorsatz setzt voraus, dass der Täter die Erfüllung des Tatbestandes nicht erstrebt oder als sicher voraussieht, sondern (nur) für möglich hält und dies billigt.
GL: Vielen Dank Herr Böttcher für Ihre Ausführungen. Auch wenn das Ganze nicht immer leicht verständlich ist, haben Sie noch ein paar Schlussworte für uns und unsere Leser?
Liebe Unternehmer: Seien Sie vorsichtig!
Als Unternehmer – Steuerberater – Wirtschaftsprüfer – Rechtsanwalt etc. kann man leicht ins Visier der Staatsanwaltschaft kommen. Schnell gerät man dabei ungewollt in eine strafrechtliche Verantwortung – ganz gleich ob es sich um Korruptionsvorwürfe, Steuerdelikte oder Compliance-Verstöße handelt.
Der bloße Verdacht einer strafbaren Handlung kann ausreichend sein, um ein Ermittlungsverfahren auszulösen.
Eine optimale Absicherung ist daher in jeder Phase des Strafverfahrens enorm wichtig. Denn durch die erforderliche qualifizierte Strafverteidigung entstehen hohe Kosten. Professionelle Strafverteidiger rechnen regelmäßig auf Basis von Stundenhonoraren ab und Sachverständigengutachten müssen bereits im Ermittlungsverfahren zur Unterstützung der Verteidigungsstrategie eingeholt werden.
Ein Betroffener in einem Strafverfahren muss nicht nur mit einem Reputationsverlust für sich und das Unternehmen aufgrund negativer Presse umgehen. Auch ein möglicher Umsatzverlust wegen einer Betriebsstilllegung kann drohen. Und eine immer längere Verfahrensdauer verstärkt zudem zusätzlich den psychischen Druck auf die Betroffenen.
Wer schreibt hier?
„Im August 2007 begann für Ralph Böttcher – Autor des Buches „Herr Steuerberater, Sie sind verhaftet!“ der Albtraum jedes Steuerberaters: Er wurde an seinem Schreibtisch vor den Augen von Mandanten und Kollegen verhaftet.
Ihm wurde vorgeworfen, er und sein Mandant und Partner hätten über 70.000 Euro an Fördergeldern veruntreut. Zusätzlich standen sie unter Verdacht sich einen sechsstelligen Betrag erschleichen zu wollen. In den Augen des Gesetzes hätte Ralph Böttcher, in seiner Rolle als beauftragter Steuerberater, davon wissen können und das Risiko des Ertappt Werdens in Kauf genommen haben. Die darauffolgenden zehn Tage verbrachte er in Untersuchungshaft und wusste zu keinem Zeitpunkt, wie lange er in Haft bleiben würde.
Die Verteidigerkosten für das über Jahre hinziehende Verfahren summierte sich auf über 164.000,00 Euro, die Ralph Böttcher nur dank einer Strafrechtsschutzversicherung begleichen konnte.
Weitere Fragen zu diesem Thema können gern an Steuerberater Böttcher direkt gestellt werden.
"Ich habe genau diesen aktuellen Sachverhalt zu einem ähnlichen Programm wie der Corona-Soforthilfe-Programm schon einmal erlebt.", so Ralph Böttcher #fragRalph.
Sehr interessant auch die Frage, was muss man tun, wenn man einen guten Steuerberater sucht und benötigt man unbedingt einen Steuerberater, denn man könnte seine Steuererklärung auch selber machen!