So führen Unternehmer richtig
Die Schaffung eines Unternehmensleitbildes, auch Corporate Identity genannt, wird von vielen Existenzgründern und kleineren Unternehmen vernachlässigt. Das ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen funktioniert. Auch der Aspekt der Unternehmenskultur ist essentiell für den langfristigen Erfolg einer Firma. Einen wesentlichen Anteil daran haben auch die Mitarbeiter.
Erfurt, 12. Oktober 2018 - Wie können es Unternehmer schaffen, erfolgreich ein Leitbild zu erstellen? Warum ist es so wichtig, die Mitarbeiter mit einzubinden? Das Gründerlexikon hat Florian Grolman, von initio Organisationsberatung zu diesen Fragen interviewt. In seinem Interview gibt er Tipps für den Unternehmenserfolg und zeigt, wie Unternehmer richtig führen und organisieren.
Gründerlexikon: Herr Grolman, warum braucht bereits ein Existenzgründer eine Beratung in Sachen Leitbildentwicklung, Teambildung oder ein Changemanagement-Training?
Florian Grolman: Die drei von Ihnen angesprochenen Themen zielen ja auf drei sehr wesentliche Fragestellungen:
- Wohin wollen wir als Team? Was sind unsere Ziele, woran sehen wir, dass wir sie erreicht haben?
- Wie und auf welcher Wertegrundlage wollen wir das erreichen?
- Wie motiviere ich meine Mannschaft, auf welche Faktoren muss ich dabei als Gründer achten?
- Wie mache ich weiter, auch wenn der Elan des Start-Ups mal verfliegt und wenn sich Widerstände bei Investoren, in der Geschäftsführung oder im Team zeigen?
- Wie lerne ich mit Widerständen und Konflikten umzugehen, wie kann ich Spannungsfelder produktiv nutzen?
Wir haben schon einige Startups an diesen existenziellen Punkten scheitern sehen. Wer sich hier schon im Vorhinein mit den richtigen Konzepten und Fertigkeiten „auflädt“, weiß wie er sich verhalten muss – bevor es zu spät ist.
Gründerlexikon: Was meinen Sie, ab wann benötigt ein Unternehmer Hilfe in der Organisation und woran merkt er, dass er Hilfe benötigt?
Florian Grolman: Es gibt mehrere typische Szenarien:
- Die Komplexität ist so hoch, dass man selbst das Gefühl hat, man kommt alleine nicht weiter.
- Wenn man Dinge schon tausendmal besprochen hat, aber sich nichts in der Organisation zu bewegen scheint.
- Wenn die Gefahr besteht, dass der Unternehmer in kritischen Entwicklungs- und Diskussionsprozessen als parteiisch wahrgenommen wird und es eigentlich eine neutrale Moderation bräuchte.
- Wenn das eigene Fach- oder Methodenwissen nicht ausreicht, um überzeugende Antworten zu geben bzw. zu entwickeln.
Oder anders gesagt: Wenn ich als Unternehmer nicht als Ziel komme, hilft es stets sich zu fragen: Bin ich Teil des Problems? Wenn die Antwort eher „ja“ ist oder man diese Frage nicht guten Gewissens klar mit „nein“ beantworten kann, dann kann es Zeit sein, sich mit dem Prozess- Methoden- und Fachwissen von Profis zu versorgen.
Gründerlexikon: Herr Grolman, verraten Sie uns doch mal, wieviel mehr Umsatz oder Gewinn kann ein Gründer ganz konkret aus Ihrer Arbeit ziehen?
Florian Grolman: Angenommen, ein Team von 10 Personen hat Konflikte oder es gibt Mängel in der Führung oder Opens internal link in current windowdie Ziele bzw. wie diese erreicht werden sollen sind nicht klar. Konservativ gerechnet entstehen bei 10 Personen pro Monat 40 Tausend EURO Personalkosten. Wir erleben nicht selten erhebliche Produktivitätsverluste in solchen Situationen – sagen wir um die 20%. Solche Situationen können sich ja über Monate hinziehen – und die Produktivitätsverluste werden erfahrungsgemäß monatlich steigern. Aber rechnen wir ruhig mal vorsichtig – 3 Monate mal 40 TEUR macht 120 Tausend Euro Personalkosten. Wenn über die drei Monate die Produktivität im Durchschnitt um - wiederum konservativ gerechnet - 20% sinkt, sind das Verluste von 24 Tausend EURO.
Der Aufwand für eine eintägige Teamentwicklung würde mit Vor- und Nachbereitung vielleicht 10% der Kosten verursachen, die entstehen können, wenn man das Problem nicht an der Wurzel packt.
Das heißt: Wenn Sie als Unternehmer nichts tun, stellen Sie 90% dieser Kosten ins Risiko. Keine gute Idee – speziell dann nicht, wenn man die besten Köpfe behalten will, weil davon der eigene geschäftliche Erfolg oder das Vertrauen der Investoren abhängt.
Gründerlexikon: Wie lauten Ihrer Meinung nach die größten, sich in Ihrem Beratungsfeld befindlichen Fehler, die Unternehmer begehen?
Florian Grolman: Die größten Fehler, die von Unternehmern gemacht werden, spielen sich in den Kompetenzfeldern Change-Management, Strategie, Teamentwicklung und Führung ab.
- Ziele, Vision und Strategie: Ziele werden nicht klar kommuniziert, die Mitarbeiter ziehen nicht an einem Strang.
- Beteiligungsprozesse: Mitarbeiter werden nicht in wesentliche Informations- und Willensbildungsprozesse einbezogen.
- Gute Führung: Unter den Führungskräften gibt es kein gemeinsames Modell „guter und angemessener Führung“, welche im Einklang stehen mit den Zielen und der Strategie des Unternehmens.
- Personalentwicklung: Wer die Kniffe strategischer Personalentwicklung nicht kennt, bekommt irgendwann ein Führungs- Motivations- und Personalproblem.
- Bottom-Up-Prozesse: Die Kompetenz und Erfahrung der Mitarbeiter wird nicht ausreichend als Ressource genutzt.
- Fehlender Systemischer Blick: Wirkungen von Entscheidungen auf die Mitarbeiter und die mittlere Führungsebene werden falsch eingeschätzt – oder gar nicht bedacht.
- Unternehmenskultur: Es gibt keinen strategischen Blick auf die „weichen“ Themen Unternehmens- und Führungskultur.
Gründerlexikon: Geben Sie unseren Lesern doch zum Abschluss bitte die 5 wichtigsten Tipps, um genau diese Fehler zu vermeiden!
Florian Grolman: Gern:
- Sorgen Sie stets für ein gemeinsames „Zielbild“ in Ihrer Mannschaft. Wenn kein Konsens besteht, hören Sie auf Zweifler und Mahner. Arbeiten Sie solange gemeinsam an einer stimmigen Vision, bis alle wesentlichen Einwände bearbeitet sind und die überwiegende Mehrheit dazu „ja“ sagen kann.
- Schaffen Sie einen Raum für sich und Ihre Führungskräfte, in dem sie gemeinsam Praxisbeispiele aus dem Führungsalltag reflektieren. Das ist „Fortbildung“, „gemeinsames Lernen“ und ein Forum zur Entwicklung gemeinsamer, wirksamer Führungspraxis zugleich. Das kann mit externer Moderation oder auch intern moderiert werden, sofern die methodischen Kenntnisse für solche Prozesse vorhanden sind. Wichtig ist, dass sie das tun. Denn „gute Führung“ ist neben strategischem Management einer der wichtigsten Schlüsselfaktoren für hohe Wertschöpfung.
- Sorgen Sie auch dafür, dass in Teams, Abteilungen und Bereichen regelmäßige Reflexionsprozesse über das eigene Tun etabliert werden. In jedem dieser Meetings sollten Verbesserungspotenziale in der gemeinsamen Arbeit sichtbar und umgesetzt werden. Das wirkt motivierend für alle Seiten: Führungskräfte bekommen motivierte Mitarbeiter, Mitarbeiter gute Führungskräfte – und Sie als Gründer eine tragfähige Unternehmenskultur.
- Suchen Sie sich als Gründer einen Reflexionsraum, in dem Sie mit anderen Top-Managern das Wechselspiel aus Strategie, Führung und Management-Praxis reflektieren können. Wenn Ihre „Peer-Group“ gut besetzt ist und kompetent moderiert wird, bekommen Sie automatisch Einblicke in andere Unternehmenswelten und können sich mit inspirierenden Benchmarks anderer Unternehmen und Führungskräfte „aufladen“. Die Erkenntnisse aus diesen gemeinsamen Denkprozessen wird Sie als Führungskraft mit der Zeit wirkungsvoller und Ihr Unternehmen „wendiger“ werden lassen.
- Prüfen Sie von Zeit zu Zeit die „Leitplanken“ Ihres Unternehmens: Sind strategische Zielbereiche, Ablaufprozesse, Führungsgrundsätze und Anreizsysteme so definiert, dass Mitarbeiter und Führungskräfte das tun, was das Unternehmen von Ihnen braucht? Fragen Sie sich dabei: „Welche bestehenden „Leitplanken“ müsste ich verändern bzw. anpassen, damit meine Mitarbeiter noch motivierter sind, Ihre Arbeit im Sinne der Unternehmensstrategie zu erledigen?“
- Wenn Sie das richtig und regelmäßig durchdenken, führt diese „Leitplankenarbeit“ mit der Zeit zu einer einheitlicheren Ausrichtung des „Systems“ Unternehmen.
Gründerlexikon: Herr Grolman, vielen Dank für das Interview.
Florian Grolman ist Berater und Geschäftsführer der initio Organisationsberatung. Im Unternehmensblog schreibt er regelmäßig über gute Personalführung und „Hands on“ Methoden, die Unternehmungen noch effektiver machen.